Die Geschichte der Bienenhaltung
Vom Korb zur Kastenimkerei
Bei Valencia in Spanien gibt es eine Höhlenmalerei, die 8.000 bis 12.000 Jahre alt ist. Zu sehen ist eine Person, die meterhoch in einen Baumstamm geklettert ist. Eine Hand hat sie tief in einen Bienenstock gesteckt, in der anderen hält sie ein Sammelgefäß. Aufgeregt schwirren die Bienen um sie herum. Es ist die älteste bekannte Darstellung der Erbeutung von Honig und Wachs aus der Steinzeit.
Gezielte Bienenhaltung begann in Mitteleuropa in der Jungsteinzeit, als die Menschen anfingen, sesshaft zu werden. Das war in etwa die Zeit zwischen 5500 bis 1800 vor Christus. Aus einer jungsteinzeitlichen Seeufersiedlung am Bodensee sind zwei Holzröhren bekannt, die auf das Jahr 3381 vor Christus datiert und als Bienenbehausungen angesprochen werden. Diese ausgehöhlten bzw. naturhohlen Baumstämme wurden in der Nähe der Siedlung aufgestellt und werden Klotzbeute bzw. Klotzstülper genannt. Seit dem 1. bzw. 2. Jahrhundert nach Christus sind Rutenstülper aus Weidenruten bekannt, sozusagen die Vorgänger des Bienenkorbes aus Stroh. Der Strohkorb setzte sich ab Mitte des 1. Jahrtausends als dominante Bienenbehausung im westlichen Mitteleuropa durch. Bis ins 20. Jahrhundert ist diese Haltungsmethode in Bienenkörben praktiziert worden und steht bis heute bei uns als “das bekannte Symbol für Imkerei”.
Allen diesen Bienenbehausungen oder Beuten ist gemein, dass es sich um Wabenbau im sogenannten Stabilbau handelt. Das heißt, dass die Bienen ihre Waben frei aber fest an Decke bzw. Wänden anbauen. Das bringt besondere Betriebsweisen mit sich. Unter anderem muss bei der Honigernte immer die gesamte Wabe entnommen bzw. ausgeschnitten und auch ausgepresst werden, um an den Honig zu gelangen. Erst die Entwicklung austauschbarer Waben und standardisierter Beuten durch den nordamerikanischen Pfarrer Lorenzo Langstroth im Jahr 1851 ermöglichte die Entnahme einzelner, honigvoller Waben. Diese und andere Entwicklungen, wie die Erfindung der Honigschleuder, legten den Grundstein für die moderne Imkerei.
Interview mit Dr. Sonja Guber, Archäoimkerin
Die Imkerin und promovierte Archäologin Sonja Guber erforscht die Geschichte der Bienenhaltung von den mittelsteinzeitlichen Jägern und Sammlern bis hin zur Verwendung neuzeitlicher Bienenkörbe. Wie genau sahen die Bienenbehausungen der Steinzeitimker aus und wie gelang ihnen deren Bewirtschaftung? Um Fragen wie diese zu klären, stützt sich die Archäologin nicht nur auf seltene Funde, sondern rekonstruiert die unterschiedlichen Beuten und besiedelt sie mit Völkern. Über frühe und moderne Imkerei sprachen wir mit Sonja Guber in Marburg.
Du bezeichnest Dich als Archäoimkerin, baust archäologische Funde nach und imkerst darin. Warum?
Ich hatte schon immer Interesse an der “living history”, also daran, mehr oder weniger authentische Rekonstruktionen zu bauen und nachzuerleben. Mich fasziniert die Einfachheit, die Möglichkeit, alles Lebensnotwendige mit den Händen selbst herzustellen. Man merkt, wie alles mit allem zusammenhängt, wie verschiedene Gewerke und Lebensbereiche ineinandergreifen. Je nachdem, aus welchem Zeitalter man etwas nachbaut, braucht man ein Steingerät oder jemanden, der mit Holz, Textilien oder Wachs arbeitet.
Ab welchem Alter spricht man von einem archäologischen Fund?
Von archäologischen Methoden spricht man dann, wenn diese Methode nicht mehr angewendet wird. Wenn ich mir den Betrieb eines Bienenkorbes noch irgendwo angucken kann, handelt es sich nicht um ein archäologisches Fundstück.
Seit wann nutzen wir Menschen Bienenwachs und Honig? Lässt sich das datieren?
Für Honig lässt sich das schwer sagen. Er bleibt ja nicht lange genug erhalten, so dass es archäologische Funde nur von Pollenresten gibt die darauf hinweisen können, dass es sich ursprünglich mal um Honig gehandelt hat. Wenn man Wachs findet, ist aber davon auszugehen, dass auch der Honig gegessen wurde. Der Älteste Wachsfund stammt tatsächlich aus der jungen Altsteinzeit und könnte 30.000 Jahre alt oder etwas jünger sein. Da haben wir tatsächlich eine Spannbreite von 15000 bis 30000 Jahren .
Für was hat man Wachs in frühen Zeiten verwendet?
Zum Beispiel als Bestandteil von Klebstoff. Das beweist ein Fund, den Archäologen vor einigen Jahrzehnten im Harz gemacht haben. Den Forschern fielen Flecken eines schwärzlichen Materials auf, mit denen eine Klinge in Form eines Teppichmessers behaftet war. Eine chemische Analyse hat ergeben, dass es sich dabei um ein urzeitliches Pattex aus Bienenwachs und Birkenharz handelt. Ein Mehrkomponentenkleber sozusagen, mit dem Menschen der Altsteinzeit einen Schaft an ihre Klinge montiert haben.
War das Wachs interessanter für unsere Vorfahren als Honig?
Das weiß man nicht. Was wir aber wissen ist, dass das Wachs eine bedeutende Rolle in der antiken Gesellschaft gespielt hat und für Salben, Cremes und Polituren verwendet wurde. Als die Menschen Werkzeuge und Waffen nicht mehr aus Stein sondern aus Bronze herstellten, brauchte jeder Bronzegießer Bienenwachs für die Herstellung von Gussformen. Schwerter wurden nämlich erst als Wachsmodell geformt, anschließend mit Ton ummantelt und über dem Feuer gebrannt. Dabei verdampfte das Wachs, und in die hohle Tonform gossen die Handwerker nun eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Das war die Bronze, die dem Zeitalter später den Namen gab. Aus der nachfolgenden Eisenzeit kennen wir Gräber reicher Verstorbener, denen neben Ketten und Kämmen auch Honig und Met beigegeben waren. Teilweise fand man hunderte Liter Met in diesen Gräbern. Vielleicht waren Honig und Met damals eine Art Nebenprodukt der riesigen Wachsmengen, die man für die Waffen- und Werkzeugherstellung brauchte.
Machen wir einen Sprung in die Neuzeit. War die Erfindung der mobilen Rähmchen, also der austauschbaren Waben, im 19. Jahrhundert eine Art Quantensprung für die Imkerei?
Das kommt darauf an, aus wessen Blickwinkel man es betrachtet. Imkerei ist ja letztendlich die Manipulation von Bienenvölkern für unsere Ziele. Auf der einen Seite kann der Imker jetzt einzelne Waben aus dem Bienenstock ziehen und leicht überprüfen, wie es dem Volk geht, ob es gesund ist. Auf der anderen Seite wird das Volk häufig gestört und sein Lebensraum auseinander gerissen. Viele Imker schauen mindestens ein Mal pro Woche ins Volk und ziehen dabei nicht nur einzelne Rähmchen, sondern hängen diese gezielt um, um die Bienen dazu zu bringen das zu tun, was sie gerne hätten. Dieses Vorgehen ist relativ üblich. Das stelle ich mir für die Bienen ähnlich anstrengend vor, wie wenn jemand ständig den Grundriss meines Hauses ändern würde. Aber das sind letztendlich nur Vermutungen. Schließlich kann niemand genau sagen, was die Bienen tatsächlich empfinden. Zudem sind sie extrem anpassungsfähig, weshalb sie sich auch so gut manipulieren lassen..
Was hat sich bei der Bienenhaltung noch verändert im Vergleich zu früher?
Die heutige Imkerei versteht es perfekt, die Völker in einem dauerhaft leistungsfähigen Zustand zu halten, um möglichst viel Honigertrag zu erwirtschaften. Dies wird u.a. ermöglicht durch Königinnenzucht und künstliche Besamung. Sobald die Königin nachlässt, wird sie ausgetauscht. Dadurch bleibt das Volk immer jung und fit, die Königin ist immer fidel und legt viele Eier. Wenn man die Bienen hingegen sich selbst überlässt und die Königin altert, folgt der Austausch der Königin nach einem natürlichen Rhythmus und die Völker vermehren sich über das Schwärmen.
Das Schwärmen wird in der schulmäßigen Bienenhaltung jedoch unterdrückt, denn es ist bestimmten Unwägbarkeiten ausgesetzt: Die alte Königin muss zuerst ein Ei legen, dieses muss zur Jungkönigin entwickelt werden, dann muss die neue Königin ausfliegen und begattet werden. Es kann sein, dass sie aufgrund des Wetters nicht ausfliegen kann oder dass zu diesem Zeitpunkt keine Drohnen mehr da sind. Wenn bei all diesen Faktoren etwas schief geht, ist das Volk möglicherweise dem Untergang geweiht. Das will der Imker natürlich verhindern.
Dieser sogenannte Rutenstülper ist ein Bienenkorb aus Weidengeflecht. Er wurde von Sonja Guber nach einem archäologischen Fund aus dem 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus hergestellt und mit Bienen besiedelt.
Auf der einen Seite bleibt das Volk durch die gängige imkerliche Praxis durchgehend leistungsfähig. Auf der anderen Seite greift der Mensch in natürliche Abläufe ein und es ist schwer zu sagen, was die Bienen von derartigen Manipulationen halten. Außerdem weiß man inzwischen, dass durch brutfreie Perioden die Milbenbelastung deutlich sinkt. Schwärmen ist also auch eine natürliche Hygienemaßnahme der Bienenvölker. Die Korbimkerei war immer mit Brutpausen und Schwärmen verbunden, da bei der Honig- und Wachsernte das gesamte Volk in einen anderen Korb umgesetzt werden muss. Das finde ich sinnvoll, denn ohne Brutpause gibt es nie einen Neuanfang.
Welche Bienenbehausung ist die artgerechteste?
Das ist schwierig zu sagen. Bienen sind nicht wählerisch bezüglich ihrer Unterkunft, solange sie eine ungefähre Mindestgröße hat. Das könnte auch ein Briefkasten sein. Sie brauchen lediglich einen Hohlraum, in dem sie geschätzt ihrem Brutgeschäft nachgehen können. Ich persönlich habe meine Schwierigkeiten mit der Einstellung, dass die Bienen auf kleinem Raum brüten und alles immer sofort in die Honigräume tragen müssen. Ich finde das nicht schön, aber die Biene bzw. der Bien macht relativ regelmäßig eine Art Inventur, überprüft, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen und reagiert entsprechend darauf. Bienenvölker können sehr flexibel auf die äußeren Umstände reagieren. Daher ist ein gewisses Maß an Manipulation bei der Bienenhaltung immer noch artgerecht. Ich persönlich bin zu dem Schluss gekommen, lieber mit dem Schwarmtrieb zu arbeiten, anstatt ihn zu unterdrücken und möglichst wenig in das Brutnest einzugreifen. Jeder muss sein eigenes moralisches Set finden.
Hat die Art der Bienenhaltung Einfluss auf das Wachs? Macht es einen Unterschied, ob beispielsweise die Nisthöhle groß ist oder ob es mobile Rähmchen gibt?
Die Qualität ist abhängig davon, in welchen Abständen Wachs geerntet wird. Normalerweise werden Honigwaben ausgeschleudert und wiederverwendet. Sie werden auch gern nach einer Saison wieder in den Brutraum eingebaut, weil es große, gleichförmige Waben sind. Wenn man den Bienen leere Waben zur Verfügung stellt, kann man mehr Honig ernten, denn um 1 Kilo Wachs für neue Waben zu produzieren, verbrauchen die Bienen bis zu 10 kg Honig. Das hat zur Folge, dass das Wachs, das entnommen wird, die wirklich alten Waben sind, die schon mehrere Zyklen hinter sich haben. Man erkennt sie an der typischen Bernsteinfärbung. Je älter das Wachs ist, desto dunkler ist seine Färbung. Frisch ausgeschwitztes Bienenwachs ist nämlich weiß. Mit der Zeit sammeln sich Reste von Pollen und Propolis sowie Brutreste und färben das Wachs erst hell-, dann dunkelgelb bis braun.
Wird Honig gepresst statt geschleudert, muss auch das frische Wachs der Honigwaben entnommen werden, und man erhält mehr frisches, einjähriges Wachs. Die Imkerei in Bienenkörben oder (prä-)historischen Beuten bedeutet immer, dass der Honig gepresst wird, da es hier keine mobilen Rähmchen gibt die ausgeschleudert werden könnten. Somit spielt die Bienenhaltung eine Rolle.
Was machst Du als Imkerin mit Deinem Wachs?
Ich stelle gerollte Kerzen, Salben und Cremes her und verkaufe das Wachs in sehr kleinen Mengen an Leute, die selber Wachstücher oder Cremes herstellen möchten.
Weißt Du aus archäologischer Sicht etwas über die frühere Verwendung von Wachstüchern?
Leider nicht. Das hängt damit zusammen, dass es ganz selten organische Funde gibt. Die Stoffe verrotten einfach zu schnell. Wenn doch mal kleine Fragmente gefunden werden, ist es meist sehr schwer zu sagen, für was dieses kleine Stück wirklich einmal genutzt wurde. Außerdem hat man erst vor relativ kurzer Zeit begonnen, mehr chemische Analysen an Fundstücken durchzuführen, so dass man auch erst neuerdings auf Wachsanhaftungen an Funden aufmerksam wird oder gezielt nach ihnen sucht.
Immer mehr Menschen werden auf Bienenwachstücher aufmerksam und benutzen sie statt Folie. Was hältst Du davon?
Ich bin sehr begeistert von nachhaltigen Lösungen! Nach und nach habe ich verschiedene Lebensräume meines Alltags angeschaut und gezielt versucht, auf Plastik und sonstige Einweglösungen zu verzichten. Deswegen habe ich z.B. auch angefangen, selbst Seife und Cremes herzustellen. Bienenwachstücher sind eine hervorragende Ergänzung “moderner”, nachhaltiger Mehrwegverpackungen. Besonders wenn auch darauf geachtet wird, dass die Baumwolle, das Wachs und die weiteren benötigten Materialien umweltfreundlich, nachhaltig sprich bio-zertifiziert hergestellt wurden, sind Bienenwachstücher eine rundum sinnvolle Sache: weder bei der Herstellung noch der Entsorgung kommt es zu unerwünschten Effekten. Perfekt!
Liebe Sonja, danke für dieses Gespräch.
Die Geschichte des Bienenstocks. Vom Korb zur Kastenimkerei wurde zusammengefasst mit Dr. Sonja Guber, die zu diesem Thema umfangreich geforscht und publiziert hat www.immenzit.de
Fotos: © Sonja Guber